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In Coachings und bei Seminaren fällt mir immer wieder auf, wie schwer es Vielen fällt, die eigenen positiven Eigenschaften, Stärken, die man an sich schätzt, aufzuzählen. Die Fehler und Schwächen, ja, die sind schnell bei der Hand und können ausführlich dargelegt werden. Und natürlich, die Anderen sind viel besser als man selbst.

Was denken wohl die anderen über mich?

Ich bin in den 70ern in einer Kleinstadt aufgewachsen und was ich als Kind oft zu hören bekam, war „Das kannst Du nicht machen, was sollen bloß die Nachbarn denken!“ Also war ich natürlich immer brav und stets ordentlich angezogen ;-). Bis ich alt genug war und gemerkt habe, ich mache mir auch nicht ständig Gedanken über meine Nachbarn. Ich habe gar nicht die Zeit dazu und es interessiert mich auch gar nicht. Und den Nachbarn geht es wahrscheinlich ähnlich, die haben was Besseres zu tun, als ständig darüber nachzudenken, was ich anhabe oder tue. Wäre ja auch etwas vermessen.

Denn ganz ehrlich, wann machen wir uns Gedanken über unsere Mitmenschen? Wenn wir sie mögen, dann haben wir guten Kontakt und denken in Liebe, Freundschaft oder Sorge an sie. Oder im schlimmsten Fall nerven sie uns, okay, dann denken wir auch schon mal an sie. Doch wie oft lassen wir uns auch heute noch von etwas abhalten, weil andere es doof finden könnten? Es nicht der Norm entspricht? In Zeiten von Social Media sogar noch viel stärker. Dabei sind es oft nicht die Mitmenschen, die etwas an uns bemängeln. Unsere stärksten Kritiker sind schon wir selber. Hier ein Kilo zu viel, da die Augenbrauen nicht lang genug, die Nase schief… Der Job nicht toll genug und die Wohnung ist auch nicht geputzt

Wir selbst sind am strengsten mit uns

Wie streng wir mit uns selber sind, zeigt einer der berührendsten Werbespots, die ich kenne. Die Kosmetikfirma Dove hat einen Polizeizeichner beauftragt, Frauen, die für ihn hinter einem Vorhang verborgen sind, nach ihren eigenen Angaben zu zeichnen. Danach hat er dieselbe Person nochmal gezeichnet, dieses Mal nach der Beschreibung einer völlig fremden Person von der Straße. Die beiden waren sich noch nie begegnet. Das Ergebnis: Ein- und dieselbe Person, immer erkennbar, doch einmal hübsch und liebenswert gezeichnet und das andere Mal mit Makeln. Und von wem kamen die Schönheitsfehler, natürlich von den eigenen Beschreibungen. Wie traurig! Wir selbst legen den Fokus nicht auf das, was wir toll an uns finden und mögen, sondern auf die Eigenschaften, die – in unseren Augen – nicht perfekt sind.

Vielleicht macht es daher doch manchmal Sinn, darüber nachzudenken, was wohl die anderen von oder über uns denken, wie sie uns wahrnehmen. Wohlwollend! Denn auch wir bemerken an anderen doch eher das, was wir auch gerne hätten, was wir toll finden, was wir an uns vermissen. Tja, das sollten wir bei uns auch mal wertschätzen.

In Wertschätzung „baden“

Eine kleine Übung: Frage doch mal Deinen Partner oder die beste Freundin, was er oder sie an Dir schätzt und liebt. Mindestens zehn Minuten darfst Du in positiven, liebenswerten Kommentaren „baden“. Doch Achtung: Nur wirklich wertschätzende, positive Rückmeldungen sind erlaubt. Auf keinen Fall Kommentare wie, „wenn die Haare etwas kürzer wären, wärst Du ja sehr hübsch“. Deine Aufgabe ist es, einfach nur zuzuhören und zu genießen, keine Kommentare, einfach zuhören und freuen. Wie geht es Dir dabei? Fühlt sich das gut oder eher ungewohnt oder sogar komisch an?

Wenn Ihr mögt, könnt Ihr am nächsten Tag einfach die Rollen tauschen.